MEIN

GESELLENSTÜCK

Ich denke das ist es am Ende, worum es geht. Klar… eine theoretische Prüfung muss man, wie in jedem anderen Handwerk, auch absolvieren.

Aber die Fertigkeitsprüfung? Das ist deine Gelegenheit zu beweisen, dass du es kannst! Dein Gespür für Formen zu Papier zu bringen, deine Vorstellungskraft auf´s Äußerste herauszufordern. Etwas, vermutlich das Anspruchsvollste der ganzen Ausbildung und in meinem Fall sicherlich auch das Teuerste, bauen zu dürfen, was danach ganz einem selbst gehört.

Ich hatte Bock. Und eine Mission: etwas zu bauen, was ich tragen würde. Und ich bin kein einfacher Kunde.

Ich hatte viele Ideen. Mein kluger Einfall, ausnahmsweise mal früh genug mit der Entwurfsarbeit anzufangen, resultierte vor allem in einer Menge Fehlentwürfe.

Meine Chefin musste sich viel ansehen und war zum Glück immer ehrlich und gab vor allem konstruktive und deutlich formulierte Kritik. Ihre Meinung, und die meiner Kolleginnen waren stets jene, die mich am Meisten zum Um- und Überdenken bewegten.

Das Thema Tragbarkeit war mir so wichtig, weil die meisten Geschichten der Goldschmiede die ich zu fragen wagte, beinhalteten, dass sie ihr Gesellenstück nicht trugen. Stattdessen versauerte eine wertvolle Menge an tadellosem Material mit oft wunderschönen Steinen und viel großartiger Handarbeit… im Tresor? So viel Geld, so viel Zeit, ein Schmuckstück von solcher Bedeutung für einen selbst. Mir war klar: Um keinen Preis würde ich einen Kompromiss gestalten. Nur weil es einfacher wäre. Weil es definitiv genehmigt werden würde. Weil ich damit definitiv bestünde.

Meine Idee: Ein Collier. Ein absolutes Statement. Eigentlich war ich gar nicht der Typ, der solch eine Kette trägt. Aber irgendwann im Entwicklungsprozess, war ich so verliebt von der Vorstellung. Schließlich freute ich mich nicht nur auf das Endergebnis, sondern vor allem auf den Weg dahin.

Wenn es einen Nachts nicht einschlafen lässt. Wenn man grübelt und realisiert was für ein Aufwand das sein würde. Wenn man sich bewusst wird, dass man damit die eigenen Grenzen zwischen machbar und viel zu aufwendig neu setzen muss.

Und wenn man irgendwann einen Plan macht, rechnet, seine Fähigkeiten und die Zeit die man nun noch hat visualisiert und feststellt: es könnte klappen.

Und wenn man dann morgens aufsteht, die Skizze sieht und richtig daran glaubt.

Es kostete mich super viel Energie. Als der Vorentwurf genehmigt war, also für mich feststand, dass das nun echt, wirklich und ehrlich mein Gesellenstück wird, da fing die echte Arbeit an.

Ich mischte meinen ganzen Urlaub des letzten halben Jahres tageweise unter meine letzten Arbeitswochen, um nun das Lernen, Arbeiten, Planen und Geprüftwerden zielsicher unter einen Hut zu kriegen.

Die Zeichnungen hier sind Auszüge meiner technischen Zeichnung. Wie man sieht, war nur ein Teil der Kette prüfungsrelevant. Den Rest der Kette durfte ich fertig vorgebaut mit dem Rest des Prüfungsstücks einreichen, damit die Prüfungskommission ein vollständiges Schmuckstück vorliegen hatte. Ich musste lediglich deutlich kenntlich machen, wie viel vorgefertigt war und das im Vorfeld ebenfalls genehmigen lassen.

Dass ich eben Teile der Kette vorbauen konnte, gab mir die Gelegenheit, davon einige Bilder zu machen. Die sind unten gesammelt zu sehen.

Das Mittelteil der Kette (ich nannte es liebevoll Zierelement) besteht aus tropfenförmigen Teilen, die Querstreben aus Roségold treffen im 90 Grad Winkel aufeinander sodass ein separater Anhänger dort eingehängt werden kann. Der Anhänger ist für einen Stein, einen navetteförmigen Turmalin, konstruiert.

Aber mein Plan war von Anfang an, den Stein nicht zu fassen. Und auch das Zierelement würde nicht bleiben. Zierelelement, Anhänger und Turmalin baute ich nach der Prüfung einfach aus und ersetzte die Lücke durch vier weitere Tropfenelemente.

32 h Arbeitsstunden.

Mindestens eine Fassung für einen Stein.

Eine Mechanik.

Edelmetall.

Tragbarkeit.

Wir mussten eine Hauptentwurfsmappe mit technischer Zeichnung und Farbzeichnung einreichen. Das Material sollte an einem Tag, dem Vorbereitungstag eben, vorbereitet werden. Und dann bauten wir Tag für Tag in unserem Lehrbetrieb. Jeder Prüfling sein eigens entworfenes Gesellenstück.

Et voila…

Ist es nicht wunderschön?

Mission accomplished

Mein Collier zählt zu den Liebsten meiner Schmuckstücke. Nicht nur weil es so schön ist, sondern weil ich auch einfach mächtig stolz darauf bin.