Mein Meisterstück

So ihr Süßen!

Das hier ist mein Meisterstück. Es ist nur ein Bruchteil dessen, was ich in 11 Monaten München geleistet habe, aber dennoch die vielleicht wichtigste Arbeit im Leben eines Goldschmieds.

Im Folgenden möchte ich euch Einblicke in die Entstehung geben. Das hier ist für euch Alle, für mich und es ist mir besonders ein Anliegen, es für jene zu teilen, für die die Meisterprüfung hoffentlich in Zukunft ansteht.

Ich habe meine Meisterprüfung als Jahrgangsbeste abgelegt. Das bedeutet jedoch nicht, dass mein Weg dahin reibungslos und fehlerfrei verlief. Diese Arbeit ist wieder mal eine von jenen, die vielleicht zunächst eine Nummer zu groß für mich gewesen zu sein schienen. Aber alle Erfahrungen meines bisherigen Schaffenswegs, die Erkenntnis um Hilfe zu bitten und diese auch anzunehmen - weil man manche Dinge einfach nicht allein schaffen kann - und mein unerschütterliches Vertrauen in meine eigenen Fähigkeiten, haben mich erneut erfolgreich zum Ziel geführt.

Dem Ziel, den Meisterbrief an meine Wand nageln zu können, mit dem Wissen, dass man ihn sich wirklich hart erarbeitet und verdient hat.


Am Anfang einer solchen Arbeit steht immer eine Entwurfsmappe. Dieser Entwurfsmappe gingen noch unzählige Skizzen, einige verworfene und andere aufgegriffene Ideen und Gedanken voraus. Es folgt der Inhalt meiner Hauptentwurfsmappe - jedes einzelne Blatt davon.

Im Gegensatz zum Gesellenstück, arbeitete ich in der Entwurfsphase meines Meisterstücks mit einem CAD Programm (Rhino 8).

Insbesondere die spezielle Form des Uhrengehäuses konnte ich so bis ins letzte Detail mit all seinen Einzelteilen konstruieren.

Das Uhrglas ließ ich einschleifen. Ich nutze eine mit CAD konstruierte Datei, um den exakten Umriss des Glases zu kommunizieren.

Außerdem brauchte ich ein spezielles Werkzeug, nur für die Anfertigung des Uhrengehäuses. Auch das zeichnete ich mit dem Programm und schickte die Datei dann an die Firma.

Es ist schon eine Seltenheit, dass ein Goldschmied eine Uhr anfertigt. Dass sich in unserem fünfköpfigen Jahrgang gleich drei von uns dazu entschieden haben: reiner Zufall.

Es ist Fakt: ohne meinen ehemaligen Chef, den lieben Herr Sander (Goldshop Sander in Sulingen, Niedersachsen - für alle die einen extrem kompetenten Uhrmacher für ihr Schätzchen in der Gegend suchen), leidenschaftlicher Uhrmacher mit einem unheimlichen Wissen, hätte ich mir viel schwerer getan und hätte sicher einige unnötige Fehler gemacht. Er erklärte mir, worauf ich bei der Konstruktion des Gehäuses achten muss, was es für Schließen gibt, wie ein Uhrwerk aufgebaut ist… nahm sich Zeit, obwohl sein Laden wie eh und je voll mit Kunden war, und vertraute mir obendrein noch ein Handaufzugwerk an - mir: einer Goldschmiedin, plump in den Fingern im Vergleich mit einem Uhrmacher.

Natürlich habe ich meine Entwürfe und Pläne alle selbst gezeichnet und geschrieben, ich will damit nur herausstellen, dass es unheimlich viel bringt, seine Ideen zu teilen und mit den richtigen Leuten darüber zu sprechen.

Die Arbeit mit den Lehrkräften und die Diskussionen mit meinen liebsten Mitschülern zählen genauso dazu.

Ich Danke euch allen dafür.


Ich habe nicht viele und auch nicht unbedingt die schönsten Bilder beim Bauen gemacht. Im Folgenden kommen trotzdem einige Eindrücke.


112 Arbeitsstunden später

Selten war ich in einer Prüfungsphase so gestresst und dann doch wieder so entspannt wie bei dieser. Es war wirklich eine Berg- und Talfahrt. Die Vorbereitung der Mappe und damit die Planung des Meisterstücks hat nicht nur mir, sondern auch meinen Mitschülern, alles abverlangt. Die Planung ist bei einem Projekt dieser Größenordnung das allerwichtigste. Entsprechend zahlte sich der Stress und die ganze Arbeit bis spät aus, denn das Schönste: das Bauen an sich lief so reibungslos, das ich manchmal wirklich dachte, dass das hier gerade zu gut klappt.

Meine “Klatsche”, wenn man das so hart sagen will, habe ich am Tag der Abnahme durch die Prüfungskommission bekommen. Denn fehlerfrei und perfekt ist mein Meisterstück nicht ganz. Ein Detail hatte ich die ganze Zeit vergessen.

Wir hatten am Morgen unsere Arbeiten im Klassenzimmer präsentiert und mussten uns in der Werkstatt aufhalten, da es womöglich sein könnte, dass man hereingerufen würde, um zum Beispiel die Uhr aufzuschrauben. Dann holte mich unsere liebe Lehrkraft ins Klassenzimmer. Und ich sollte zunächst nicht etwa schrauben, nein, ich wurde gebeten meine Schließe zu bedienen. Sie war geöffnet und ich sollte sie schließen. Ich versuchte es, und es ging nicht. Dann schaute ich mir mein Baby an und erkannte sofort: sie war verbogen! Und ich wusste sofort warum. In meinem Kopf spielte sich direkt das Szenario ab, das sich nur wenige Minuten zuvor hier abgespielt haben musste.

Im Video sieht man: Ich schließe die Uhr am Arm. Aber es ist eine Butterfly-Schließe, ein Klassiker unter den Uhrenarmbandverschlüssen. Und was tut der Kunde natürlich?! Drücken. Bei festem Druck auf die zusammengeklappten Teile springen die Drücker zur Seite und rasten dann ein. Ich hatte an einer Stelle der Schließe das weiche Silber nicht durch ein härteres Material ersetzt und hätte auch größere Abmessungen der betroffenen Teile planen müssen um diese Funktion zu ermöglichen.

Natürlich ist das der Alptraum eines jeden Meisterschülers. Ich bin direkt ins Messer gelaufen. Ich hab mir schon ausgemalt nächstes Jahr wieder ein Meisterstück planen und bauen zu müssen, um den Teil der Prüfung doch zu bestehen. Ich hatte das falsche Material gewählt und die Drücker zu zart entworfen. Auf dem Papier funktioniert es, auf dem Papier ist aber nicht die Realität. Silber ist von allen Edelmetall-Legierungen die weichste - und die günstigste. Geld hat bei mir eine große Rolle gespielt, deshalb plante ich mein Meisterstück zu 100% aus Silber. Den Zusammenhang zwischen Material und Entwurf und diese spezielle mögliche Problematik hatte ich, bei tausend anderen Baustellen, einfach nicht auf dem Schirm.

Im Fachgespräch, einen Monat später, wurde ich selbstverständlich erneut auf das Problem aufmerksam gemacht. Ich erklärte den Prüfern was ich verändern muss, damit die Schließe auf Druck funktioniert. Weißgold nehmen und die Maße ändern.

Diese Uhr ist nicht nur Schließe. Sie ist Gehäuse, Bandansatz, Krone. Ich hatte mehr als genug Punkte, die bewertet wurden. Dank dessen wog mein kleiner Fauxpas in Summe nicht mehr schwer.

Ich habe es schon tausend Mal gesagt, aber einmal darf ich noch: Unterschätzt die Planungsphase nicht. Man muss so tief in die Arbeit eintauchen, dass man ohne es tatsächlich gebaut zu haben, Fehler vorhersehen kann. Je mehr Patzer man sich durch schwammige Vorüberlegungen erlaubt, desto ungnädiger werden die Prüfer.

Und wenn so etwas passiert, dann muss man darauf achten, richtig zu reagieren! Es nützt nichts sauer zu werden oder womöglich vor Verzweiflung um sich zu beißen. Man muss erkennen, dass man selbst verantwortlich für etwaige Fehler ist, die Problematik verstehen und ruhig bleiben.

Die Aufgabe eines Meisters ist es nicht, keine Fehler zu machen, sondern gewillt zu sein sich immer weiter zu verbessern. Man sollte in der Lage sein, über dem Moment des Scheiterns zu stehen und eine Lösung zu liefern!


Das ist es nun! Bei mir ist ehrlich gesagt noch nicht so richtig angekommen, dass ich eine Uhr mit meinen eigenen Händen gebaut habe, dass ich eine Meisterkarte besitze, dass ich dieses eine große Ziel, das ich die ganze Zeit noch vor mir hatte nun erreicht habe.

Ich habe jetzt Zeit, richtig anzufangen. Zeit, um meiner Arbeit endlich richtiges Leben einzuhauchen und zu vertiefen. Mich weiterzuentwickeln, herauszufinden wofür ich das nun alles gelernt habe. Ich bin so glücklich mit jeder Entscheidung die ich auf diesem Weg bisher getroffen habe. Meine ursprüngliche Sorge, ich würde den Meister zu früh machen, hat sich als absolut unbegründet herausgestellt. Die ganze Energie und Liebe, die ich hier reinstecke - genau richtig!

Wenn man da rausgeht und der Welt etwas gibt, mutig ist und sich zeigt, dann bekommt man immer mehr zurück als man sich je zu erträumen wagte.

Mit braunem Lederband und einer selbstgemachten Dornschließe - bereit von mir gezeigt zu werden.

Ich habe meine Erfahrungen über die Meisterschule und darüber hinaus in einem

Blog

festgehalten. Mein Warum, Bafög-Geschichten, Infos die in die Tiefe gehen, etc. Bald kommt auch was zum Thema Geld, eine Sache die mir sehr wichtig ist.

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